Ein Porträt von 31 Unternehmerinnen aus NRW – von Jeannette Gräfin Beissel von Gymnich
Vor ein paar Tagen war es dann soweit, das Buch ‚Starke Frauen‘ ist erschienen. In einer Biografie-Sammlung portraitiert Jeanette Gräfin Beissel von Gymnich 31 Unternehmerinnen mit ihren individuellen Lebensgeschichten. Mit einem Empfang im Opernturm der UBS Bank in Frankfurt ging es los. Teil dieser Biografie Sammlung geworden zu sein, ist für mich immer noch unfassbar. Andererseits birgt es für mich eine unglaubliche Energie, der Start in ein neues Kapitel.
Als ich angesprochen wurde, Teil eines Buches über starke Frauen zu werden, habe ich mich sehr lange mit der Frage beschäftigt, was denn überhaupt eine starke Frau ist. Für mich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich eher als Symptom eines starken Systems fühle. Ein Puzzle aus vielen einzelnen Teilen – Familie, Freunde. Dadurch, dass alle Teile perfekt zusammenspielen, kann ich das tun, was immer mein Traum war, freiberufliche Unternehmerin zu sein und das zu leben was ich anderen mit auf den Weg geben möchte: sich selbst immer wieder in Frage zu stellen, und nicht daran zu zweifeln, etwas auszuprobieren – auch gegen Widerstände. Und auch der Mut zu scheitern, ist eine Form von Stärke. Ohne diesen Mut hätte ich mir einerseits viel Aufregung ersparen können. Andererseits hätte es dann einige Kapitel in meinem Leben nicht gegeben. Meine Freundin sagt zum Thema starke Frauen: „… genau! Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, lächeln und weitergehen“. Dieses habe ich mehrfach erleben dürfen, jedes Mal für sich genommen eine kleine Katastrophe, im Rückblick eine unglaubliche Schule des Lebens, die mich heute dazu bewegt, nicht andere Menschen vor solchen Situationen zu bewahren, aber mit diesen Momenten mutig und kompetent umzugehen, was auch immer sich ihnen in den Weg stellt. Sowohl als Coach als auch als Mediatorin ist es ein wunderbarer Moment, mit meinen Klienten genau im Scheitern die Chance für eine neue Perspektive zu finden.
Stark durch einsame Entscheidungen
Als Unternehmerin habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich in meinen Entscheidungen vielfach allein unterwegs bin. Ich werde gefragt: „Musst du das denn jetzt so machen? Darauf weiß ich natürlich keine Antwort. Ich sage dann immer „Ich muss es nicht, aber ich mache es so, weil ich im Moment glaube, dass es die beste Lösung ist, und mir auch keiner etwas anderes sagt.“ Etwas unternehmen eben, nicht unterlassen. Häufig kam ich dann an meine Grenzen, um im Nachhinein zu erkennen, wovor mich keiner warnen konnte und habe dann versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Und ich kann nicht glücklich genug darüber sein, dass immer eine sehr starke Familie und unbeschreiblich wunderbare Freundinnen und Freunde an meiner Seite gestanden haben und nach wie vor mein Leben begleiten. Ich erinnere mich, als ich einmal als Trainerin beauftragt wurde, für ein großes Unternehmen zu arbeiten. Dem ging ein sehr langer Bewerbungsprozess voraus und von Kolleginnen und Kollegen wurde ich angefeuert, somit endlich im „Trainer- Himmel“ angekommen zu sein. Bei meiner Arbeit in den Workshops musste ich dann allerdings erkennen, dass ich in diesem Unternehmen lediglich als Alibi funktionierte, um jahrelange Konkurrenz, Intrigen, Zukunftsängste und große wirtschaftliche Schwierigkeiten zu überdecken. Ich habe dann eine weitere Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen abgelehnt. Auch als es um verlockende Preisverhandlungen ging, habe ich mich dankend abgewendet.
Menschen, die einfach alles mit Geld regeln wollen, finde ich langweilig. Geld ist nicht die einzige Währung. Ich liebe Menschen, die mich überraschen können, die spontane Ideen haben und in eine komplett andere Richtung denken. Aus diesem Grund arbeite ich sehr gerne mit jungen Menschen zusammen, Studierenden, Auszubildenden, und vor allen Dingen mit meinen kleinen Schützlingen in einer Einrichtung der Jugendhilfe. So junge Menschen, die so viel Stärke in sich tragen, die sich aufgrund verschiedener Situationen in ihrem Leben erstmal nicht entfalten konnte. Und dieses Geschenk, dabei zu sein, wenn so ein kleiner Kerl neben mir im Schwimmbad vom 1 Meter Brett springt, oder wir uns mit der ganzen Gruppe in einem Eiscafé die Bäuche voll Spaghettieis schlagen, ist einfach unbezahlbar.
Anderen Frauen Mut machen und ihre Stärke erkennen
In dem Buch ‚Starke Frauen‘ finde ich mich Seite an Seite mit anderen starken Frauen, jede für sich hat ihre eigene spannende Geschichte. Es kann nicht immer nur steil bergauf gehen, sondern stark zu sein bedeutet auch, aus verschiedenen Situationen im Leben nicht nur zu lernen, sondern die Herausforderung anzunehmen, und aus einer starken Lektion trotz aller Rückschläge noch den Mut zu ziehen, jetzt erst recht weiterzumachen und nicht aufzugeben. Niemals den Kopf in den Sand zu stecken, dafür einzustehen, immer wieder daran zu glauben, mit unendlichem Optimismus und dem Glauben daran, dass alles am Ende gut wird, frei nach dem Motto: „… und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende“.
Diesen unendlichen Optimismus gebe ich an meine Kinder weiter. Wenn ich dem Rat eines Arztes gefolgt wäre, hätte es diese wunderbaren Wesen aufgrund einer lebensbedrohlichen Situation nicht gegeben – aber auch da sagte ich mir, es wird alles gut – und jetzt erst recht. Auch sie haben schon notgedrungen eine gewisse Stärke mit in die Wiege gelegt bekommen. Sind in verschiedenen Ländern aufgewachsen, haben sich immer wieder in neuen sozialen Systemen zurechtgefunden. Aus ihnen sind wunderbare, ehrliche Erwachsene hervorgegangen, die den Menschen an sich mögen, mit all seinen Ecken und Kanten, egal von welcher Herkunft und von welchem sozialen Hintergrund. Und das ist die eigentliche Stärke, die Vorbereitung auf ein Leben, was heute nicht nur durch die Digitalisierung und Agilität ein schnelles, ein unberechenbares, und auch ein sehr unsicheres geworden ist. Stärke zu haben bedeutet auch, andere starke Menschen zu erkennen, diese zu unterstützen und ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten hervorzuheben.
Meine Freundin, die an Krebs erkrankt ist und diese Krankheit mit Bravour gemeistert hat, ist für mich eine sehr starke Frau. Oder die, die ihre vier Kinder durch die Studienzeit begleitet, sowie die, die trotz unglaublicher personaler Begebenheiten an ihrem Traumjob festhält – Beispiele für starke Frauen, jede auf ihre Art. Die Pflegerinnen, die sich jetzt fürsorglich um meine Mutter kümmern sind für mich sehr starke Frauen. Den Mut aufzubringen, am nahenden Ende eines Lebens so optimistisch jeden Tag zur Arbeit zu gehen und mit so viel Umsicht und Nachsicht für einen fremden Menschen da zu sein, bedarf schon einer besonderen Stärke. Ja, und nicht zuletzt meine Mutter selbst: Mit fünf kleinen Geschwistern war sie lange Jahre auf der Flucht. Sie hat mir beigebracht, welche Währung im Leben zählt und wie es sich anfühlt, ein starker Mensch im Leben anderer Menschen sein zu dürfen.
An dieser Stelle danke ich dem Journalisten Christian Vogeler (https://das-ganze.de) für das einfühlsame Interview und dafür, mich darin zu ermutigen, meine verrückte Geschichte doch tatsächlich einmal auf zu schreiben, um anderen Frauen Mut zu machen. Danke für unzählige Korrekturläufe, für abendliche Gespräche, unendliche Telefonate.
Mit der Fotografin Claudia Ast entstanden die Fotos für die Biografie. Über ihre Fotoarbeiten hinaus ist sie zudem eine große Mutmacherin, die mich bestärkte, sich mit diesem Gepäck im Rucksack erst recht auf die Reise zur geben. Mit ihrem perfekten Blick auf die Dinge ist das ein verlockender Auftrag.
Letztlich gilt mein besonderer Dank Jeannette Gräfin Beissel von Gymnich, (https://www.facebook.com/jeannette.beisselv.gymnich) die mit viel Liebe und Umsicht ihre Protagonistinnen ausgewählt hat, mit denen ich nun buchstäblich Seite an Seite zu einem neuen Netzwerk zusammenwachse.
Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Höre niemals auf zu lernen und das Erlernte an andere weiterzugeben“. Wenn dies meine besondere Stärke sein soll, dann bin ich sehr dankbar, gemeinsam mit anderen starken Frauen diesen Auftrag zu erfüllen.
In diesem Sinne,
bleiben Sie mutig,
Ihre Petra Motte