Auch virtuelle Teams brauchen klare Regeln
Schon lange kennen wir virtuelle Möglichkeiten, um als Team rund über den Globus zusammen zu treffen. Oder auch Kolleginnen und Kollegen aus dem wohlverdienten Urlaub hinzu zu beamen, wenn es sein muss. Die virtuellen Programme sind vielfältig, ihre jeweiligen interaktiven Möglichkeiten sehr kreativ. Und doch gibt es seit einiger Zeit wieder das Bedürfnis, mehr Empathie und Nähe in diese virtuellen Sitzungen einzubauen.
Alte Hasen brauchen neues Futter
Als mich mein langjähriger Kunde vor einiger Zeit darum bat, einen Workshop für virtuelle Teams zu entwickeln, habe ich nicht schlecht gestaunt. Bereits seit Jahren sind Teams in diesem Unternehmen virtuell unterwegs und scheinen doch schon so viele und vielfältige Erfahrungen gemacht zu haben. Was also genau war das Anliegen, hier jetzt ein spezielles Training zu entwickeln? Die Antwort lag schnell auf der Hand. In einem sehr aufschlussreichen Vorabgespräch haben wir Ideen gesammelt und mögliche Optionen für den Workshop erarbeitet. In erster Linie ging es meinem Kunden darum, für das Arbeiten in virtuellen Teams mehr persönliche Nähe einzubringen. Es kam mehrfach das Feedback aus den Teilnehmerkreisen, dass bei der virtuellen Arbeit der persönliche Kontakt verloren gehe, man könne nicht so genau abwägen, wie die ein oder andere Aussage gemeint sei, weil bestimmte Nuancen der Körpersprache fehlten.
Multitasking ist ein mieser Verräter
Für die Umsetzung hatten wir den perfekten Zeitpunkt gewählt, um vor der Sommerpause die Teilnehmenden zu motivieren, mögliche virtuelle Konferenzen unter dem Trainings- Gesichtspunkt zu beobachten, und die neu erlernten Tools einzusetzen. Mein Kunde berichtete mir dann ausführlich, wie solche virtuellen Teams funktionieren. Das ist in jeder Organisation anders. In diesem Fall geht es darum, globale Meetings per Telefon und Videokonferenzen zu organisieren. Aus Zeitgründen oder auch fehlender Priorität erliegen dann manche Teilnehmenden der Idee, nebenbei E-Mails zu schreiben, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die eigene Teilnahme auf lautlos zu stellen (hierzu hat sich das wunderschöne Unwort „muten“ etabliert, also sozusagen „erstillen“).
In manchen Abteilungen sind solche virtuellen Konferenzen das alltägliche Geschäft und deren Anwendung ist inflationär. Sehr routiniert, sehr gewohnt, da fällt es leicht, sich mal eben heraus zu schalten, um sich anderen, spannenderen Aufgaben zu widmen. Häufig geht diese spontane Ablenkung auch intuitiv mit dem Bedürfnis einher, sich mit realen Dingen zu beschäftigen, in Unterlagen zu wühlen, die Umgebung wahr zu nehmen, und das Gefühl zu haben, dass es neben der virtuellen Welt doch auch ganz real zugeht. Vielleicht auch mit der Möglichkeit verbunden, den häufig als einseitige Dauerbeschallung organisierten virtuellen Meetings zu entkommen.
So lautete mein konkreter Auftrag, bei den virtuell erfahrenen Teilnehmern neue Impulse zu setzen, um das Treffen in virtuellen Räumen wieder interessanter zu gestalten, so dass jegliche Ablenkungsmanöver obsolet erscheinen.
Bei den ersten Entwicklungsschritten stellte sich schnell heraus, dass die Workshop-Teilnehmer schon etwas Besonderes erwarteten, waren sie doch teilweise schon jahrelang in virtuellen Teams unterwegs. Hier war nicht nur Kreativität gefragt, sondern auch sehr viel Einfühlungsvermögen, um sich in diese virtuelle Situation hinein zu denken. Was sind die Versuchungen, um aus dieser Virtualität auszubrechen? Wie hoch ist der Druck aus der äußeren Struktur? Zeitmangel, zu viele Aufgaben, Druck in Projektarbeiten, Erwartungsdruck von Vorgesetzten und anderen Abteilungen. Letztlich auch nicht zu unterschätzen und ein häufig genannter Grund für Störungen innerhalb von virtuellen Teams ist die Interkulturalität. Gerade in virtuellen Teams ist es auf einfache Weise möglich, ein globales Treffen zu organisieren. So kommen Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen zusammen, haben jeweils für sich sehr individuelle Wege der Kommunikation und der Interaktion. Dieses zu lesen und zu erkennen und das auch noch in Sekundenschnelle, ist eine Kompetenz und Herausforderung für sich.
Virtuelle Teams brauchen starke reale Partner
In der Organisation virtuu https://www.virtuu.net fand ich einen solventen Partner für die Umsetzung dieses virtuellen Workshop-Projektes. Virtuu ist ein Unternehmen, dass sich zur Aufgabe gemacht hat, unsere virtuelle Welt verstehbar zu machen, erlebbar zu machen, und die damit einhergehenden Herausforderungen als Chance zu begreifen. Für virtuelle Führungsteams bedeutet dies mehr denn je das Bekenntnis zu agilen Werten und emotionaler Führung innerhalb moderner Führungsstrukturen. Hier fühlte ich mich sofort gut aufgehoben.
Schnell haben wir die Workshop-Ziele herausgearbeitet und in einem sehr wertvollen Austausch das Ziel definiert, die realen Werte eines Teams in die virtuelle Welt zu integrieren. Hier geht es genau um das, was die Teilnehmenden in virtuellen Meetings vermissen. Das Lesen der Körpersprache, Reaktionen auf verschiedene Kommunikationsstile, die Reihenfolge der Sprachbeiträge berücksichtigen, die Agenda durchsetzen, obwohl doch andere Punkte so sehr unter den Nägeln brennen. Welche Aufgabe kommt dem Moderator dabei zu? Wie stark darf er sich in das Geschehen einmischen und seine Lenkungsaufgabe wahrnehmen? Auf internationaler Ebene geht es darum, in der globalen Distanz eine persönliche Nähe zu erzeugen um auch ein virtuelles Gespräch sehr empathisch und sehr menschennah durchführen zu können.
Das Ergebnis war sensationell. Heutige virtuelle Konferenz-Programme bieten viele interaktive Möglichkeiten, die allerdings nicht routinemäßig zum Einsatz kommen. Allein schon ein Profilbild einzusetzen, wirkt Wunder. Die Kamera einzuschalten, versetzt die interaktive Möglichkeit dann noch einmal auf eine andere Ebene. Der Einsatz der Kamera kann auch zur Visualisierung benutzt werden, indem man Gegenstände, Moderationskarten, Symbolkarten wie z.B. Smileys oder Handzeichen sichtbar macht. Eine Variante, die Sprachbeiträge zu strukturieren und dabei auch den interaktiven Charakter zu fördern, ist ein kleiner Wettbewerb unter den Teilnehmenden. Wer zuerst einen Smiley in das Chatfenster eingibt, darf als Erster seinen Beitrag leisten. Hier kommt dem Moderator eine sehr wichtige Aufgabe zu, er wird über den Verlauf des Gesprächs entdecken, dass einige sich nicht an der Diskussion beteiligen. Hier ist sehr empathisches Vorgehen erforderlich, vorsichtiges Hinterfragen oder auch ein wertschätzendes Lob bestimmter Kompetenzen, sodass auch zurückhaltende Teilnehmer von sich aus bereit sind, einen Beitrag in die Runde zu geben.
Wer es sehr interaktiv im virtuellen Team mag, kann z.b. eine leere Folie als virtuelles Whiteboard einbringen und die Teilnehmenden mit einer Schreibfunktion eine Mindmap über ein bestimmtes Thema erstellen lassen. Es gibt darüber hinaus noch die Abstimmungsfunktion, um ein Meinungsbild von allen zu erhalten, also auch von solchen, die aus sich aus niemals eine Meinung im Plenum äußern würden. Je nach Programm gibt es noch so viele Spielmöglichkeiten, so dass es leichtfällt, die Nebenschauplätze für eine Weile aufzugeben, und sich für die angegebene Zeit dem virtuellen Team mit ganzer Aufmerksamkeit zu widmen. Am Ende hat dies auch die positive Folge, das interaktive virtuelle Meetings auf einfache Weise abgerundet erscheinen und eher den Anforderungen der Agenda gerecht werden. Die Teilnehmenden sind in der Regel aktiver und motivierter, sich in solch einer lösungs- und ergebnisorientierten Diskussion ein zu bringen.
In unserem Fall konnten wir unsere Erlebnisse im virtuellen Team am nächsten Tag in einer Präsenz-Runde spiegeln. Der erste Moment war sehr spannend. Viele der Teilnehmenden kannten sich noch nicht persönlich. Der Handschlag fiel etwas intensiver aus, weil man sich eigentlich virtuell schon kannte, eigentlich auch persönlich, aber so ganz dann wiederum doch nicht. Etwas verhalten war die Entscheidung, welche Distanz oder Nähe einer Person gegenüber angebracht ist, die man virtuell schon so gut zu kennen scheint, die dann aber persönlich doch mit einer ganz anderen Nuance auftritt. In vielen persönlichen Gesprächen erklärten sich dann kleine Missverständnisse, bestimmte Wahrnehmungen von Situationen, die je nach Kultur oder Situation der betreffenden Person ganz anders interpretiert wurden. Diese Einsicht war sehr interessant und spannend zugleich. Viele Situationen haben wir mit viel Humor aufgelöst, staunend darüber, wie irreführend manchmal die virtuelle Kommunikation sein kann.
Die Erkenntnisse aus diesem Workshop werden uns nun dazu führen, mit einem anderen Team unter einer anderen Themenstellung die Reihenfolge zu verändern. Wir werden zuerst einen Präsenz- Workshop durchführen und im Anschluss ein virtuelles Meeting dazu organisieren. Im Präsenztraining sollen Impulse gesetzt werden, Anregungen, wie man ein virtuelles Treffen interessanter gestalten kann. Wir werden auch wieder über Stolpersteine sprechen, interkulturelles Verständnis aufbauen, um dann dieses Mal mit etwas Zeitabstand im virtuellen Austausch die Erfahrungen einzubringen und zu diskutieren. Darauf bin ich schon sehr gespannt, denn in dem Präsenz-Workshop wird sich über einen Tag schon eine gewisse Vertrautheit aufbauen, die sich sicherlich auch im virtuellen Treffen widerspiegelt.
Dieses Projekt hat mich einmal mehr darin bestärkt, mich weiterhin für Empathie innerhalb globaler Teams einzusetzen – sowohl auf virtueller als auch auf realer Ebene.
Nähe ist hier keine Frage der geographischen Lage, sondern eher eine innere agile Haltung.
In diesem Sinne,
bewahren Sie sich den realen Blick auf die Dinge,
Ihre Petra Motte